Ich gehe am Reformationstag zu Fuß zum Gottesdienst und stolpere über einen messingbeschlagenen Pflasterstein, der in den Gehweg eingelassen ist. Es ist eingraviert: Hier wohnte Leo Bloch, Jg. 1882, deportiert 1940 Gurs, 1942 Auschwitz für tot erklärt. Die badischen Juden wurden im Oktober 1940 in das Pyrenäendorf verbracht. Manche sind bereits dort gestorben. Viele wurden in KZ im Osten Europas verschleppt und ermordet. Nur weil sie Juden waren. Kurz vor der Kirche halte ich ein. Ich denke an Martin Luther. Ein zweiter Stolperstein. Er wollte die Juden zum rechten Glauben bekehren. Er griff die in seiner Zeit gängigen Stereotypen auf und verlangte Synagogen, Schulen und Häuser zu zerstören. Er empfand die jüdische Religion als Gotteslästerung, die dadurch auch das Christentum bedrohen würde.
Auf Martin Luther gründet sich aber meine Konfession. Soll ich umkehren? Antisemitismus gibt es seit der Antike und war zu Martin Luthers Zeit immer noch präsent. Antisemitismus lebte über die Jahrhunderte weiter und gipfelte im Holocaust. Sechs Millionen Menschen wurden ermordet. Kehre ich um? Nein, ich gehe weiter im Bewusstsein, dass ich Martin Luther die Ablehnung der Juden vorhalten muss – auch, dass er diesen Teil der Fehlentwicklung seiner Kirche nicht verstanden hat. Aber Martin Luther hat dennoch das Christentum wieder auf den richtigen Weg gebracht. Jetzt freue ich mich auf den Gottesdienst zum Reformationsjahr!