Politik ist nichts
anderes als praktisch angewandte Religion.
Eugen Bolz (1881–1945, württembergischer Staatspräsident von 1928 bis 1933)
Das Wort des bekennenden Christen und leidenschaftlichen Politikers Eugen Bolz erschließt sich nicht von selbst. Gerade in Zeiten des Fundamentalismus bewährt und bewahrheitet sich das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat. Und selbstverständlich lässt sich sach- und menschengerechte Politik auch ohne religiöse Einwurzelung betreiben. Und doch ist das Wort von Eugen Bolz wahr. Denn es stellt Politik hinein in den großen Traum Gottes von der Menschheit, wie er bezeugt wird durch die großen Visionen der biblischen Propheten. Deren Politiktauglichkeit begründet sich nicht darin, dass sie auch nur ansatzweise in parteipolitische Programme übersetzt werden könnten.
Denn sie alle verdanken sich nicht dem Gestaltungswillen menschlicher Akteure, sondern dem entgegenkommenden Handeln Gottes. Gleichwohl sprechen die biblischen Visionen die tiefen Sehnsüchte des Menschen nach Heil und Sinn und einer übergreifende Orientierung seines Lebens an. Politik als „praktisch angewandte Religion“ im Sinne von Eugen Bolz hieße dann, die aus der Gotteserfahrung gewonnenen Wertvorstellungen und Handlungsimpulse mit öffentlichen Problemen zu konfrontieren und „Rechenschaft zu geben über die Hoffnung, die in uns ist“ (1 Petr 3, 15). Das hat Eugen Bolz getan: konsequent, bis zum aktiven Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtssystem, sogar noch vor dem sogenannten „Volksgerichtshof“. Mit seinem gewaltsamen Tod als Bekenner hat er die Kraft der biblischen Visionen besiegelt. Diese im politischen Diskurs lebendig zu halten, gehört vielleicht zu den wichtigsten Aufgaben eines Verbindungsbüros zwischen Kirche und Staat.