Am ersten Tag der
Woche kommt Maria Magdalena früh, als es noch finster war, ...

... zum grab und sieht, dass der erste Stein weggenommen war. Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus, und sie kamen zum Grab. Es liefen aber die beiden miteinander, und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam als erster zum Grab, schaut hinein und sieht die Leinentücher liegen; er ging aber nicht hinein. Da kam Simon Petrus ihm nach und ging hinein in das Grab.

Johannes 20,1-6

Nach der Entdeckung des leeren Grabs und der Information durch Maria wollen sich Petrus und ein zweiter Jünger unverzüglich selbst vor Ort überzeugen, was genau passiert ist. Allerdings: Die beiden Jünger scheinen sich ein „Wettrennen“ zu liefern, wobei der Sieger am Ziel gar nicht ins Grab geht, sondern auf den Verlierer wartet und diesem sogar den Vortritt lässt. Folgende Auslegung gefiel mir im Studium: Die beiden Jünger stehen für unterschiedliche Gemeinden oder Gemeindetraditionen in der Urkirche: Petrus für die „Amtskirche“, der andere für eine offenbar progressivere, fortschrittlichere Gemeinde.

Beide Gemeindeformen mit ihrem jeweiligen Temperament bekommen ihren Platz in der Geschichte, keine bestimmt das Tempo der anderen. So toleriert die Amtskirche das Lauftempo der anderen Gemeinde, bremst sie nicht aus oder verordnet ihr gar Stillstand. Die progressivere Gemeinde wartet schließlich und überlässt der Amtskirche den Vortritt. Beide haben dasselbe Ziel, das Zentrum des Glaubens, nämlich das leere Grab, den auferstandenen Jesus. Jeder Mensch hat das Recht, das Tempo seines Lebenswegs zu bestimmen. Eine tolerante Gesellschaft hält unterschiedliche Charaktere aus und versucht diese nicht einzuebnen.